Tichys Einblick
„Der letzte Sommer im Frieden“

Bei Lanz: „leider keine Pippi-Langstrumpf-Welt“

Kriegsangst, Kriegstüchtigkeit, Kriegsmüdigkeit und Kriegstreiber. Markus Lanz fährt kurz vor der Sommerpause noch einmal alle Geschütze auf. Den Kampfgeist seines jüngsten Gastes vermag er nicht zu wecken: Ole Nymoen wäre einfach nicht dazu bereit, für sein Land zu sterben.

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Es geht auf das Ende zu – nicht nur bei der Sendung von Markus Lanz, sondern anscheinend auch mit dem Frieden. Jetzt, wo die Sommerpause von Lanz so unmittelbar bevorsteht, geht dem Sender wohl langsam die Luft aus. Also wird ein Thema aufgewärmt, welches immer den emotionalen Triggerpunkt des ÖRR-Publikums trifft: Krieg.

Besonders der anhaltende Ukraine-Krieg rückt die Angst vor einem Weltkrieg in den Mittelpunkt – ein deutsches Phänomen, stellt der Militärhistoriker Sönke Neitzel fest. Denn die anderen Nato-Staaten seien keineswegs so hysterisch wie Deutschland. Es werde vielmehr mit „regionalen Konflikten“ gerechnet, welche „schlimm genug“ wären, aber eben kein Holocaust, Kalter Krieg oder Atomkrieg. Und schon gar kein Argument für Staatsverschuldung.

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Trotzdem besteht Neitzel auf eben dieser Aufrüstung, als die Kriegsreporterin und ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf das Szenario „wir werden jetzt Krieg führen – wir müssen jetzt kriegstauglich werden“ kritisiert. Der Russe steht also doch schon quasi vor der Tür, mit schrecklichen Plänen und Fantasien, wenn es um die Verteidigungsausgaben geht. Und Neitzel fordert einen „speed-up“, denn Deutschland könnte es sich nicht mehr leisten, überrascht zu werden: „Wir leben nicht in einer Pippi-Langstrumpf-Welt. Leider.“

Auch der Journalist und Russe Andrey Gurkov erklärt, wie es in Russland von Propaganda nur so wimmelt. Heldenepos in Schulbüchern und Filmen seit den 90er Jahren. „Russland ist immer der Sieger“ und „der Sieg rechtfertigt die Opfer“, nennt Gurkov Beispiele. Diesen „Kult“ oder auch das „Religiöse“ daran sei mit Putin in Russland aufgeblüht. Alles unter dem Deckmantel der „Befreiung von Faschismus“ oder Entnazifizierung. Babys werden nach dem Entbinden mit Militärmützen fotografiert und Kinder werden in Uniformen gesteckt – unvorstellbar in Deutschland.

Oder vielleicht auch nicht: Der 27-jährige Ole Nymoen, Autor und Linken-Mitglied, erinnert an einen Tagesschau-Beitrag, in dem genau das der Fall gewesen sein soll. Am Tag der deutschen Bundeswehr seien Kinder mit Waffen und Uniformen gezeigt worden – ohne Einordnung! Ein unvorstellbarer Skandal, findet Nymoen. Um sich aus dem Kriegsdienst herauszuwinden, muss wohl auch die Tagesschau dran glauben. Doch nicht nur „Linke oder Antimilitaristen“ würden darüber nachdenken, sondern auch immer mehr junge Leute.

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„Mir schreiben junge Menschen: Ole, was soll ich tun? Kann ich beispielsweise versuchen, indem ich meinen Geschlechtseintrag ändern lasse, dass ich dadurch einer möglichen Wehrpflicht …“ Lanz unterbricht ihn überrascht: „Das sind die Gedanken? Ich ändere mein Geschlecht, was man ja neuerdings kann, und dann muss ich nicht in den Krieg?“ Dass das nicht funktioniert, enttäusche seine Anfrager. Aber da wäre ja immer noch der „Flieger nach Mallorca“ oder die Möglichkeit, sich zu verstecken, oder im allerschlimmsten Szenario müsste er im zivilen Bereich helfen.

Lanz fragt skeptisch, woher diese Kriegsmüdigkeit kommt und ob Ole unter keinen Umständen sein Land verteidigen würde. Aber Ole steht fest zu seinem Motto: „Lieber besetzt als tot.“ Mit den Bürgern des deutschen Staates sieht er keine Gemeinschaft und auch keine nationale Identität. Lanz versucht, ihm ein wenig Kampfgeist zu entlocken, aber es ist nichts zu machen. Wenn also nicht einmal diejenigen, die die Deutschlandfahne mit der Regenbogenfahne austauschen, in den Krieg ziehen wollen, wer bleibt dann noch übrig? Da muss die Tagesschau wohl noch ihre Kriegspropaganda ausbauen.

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