Tichys Einblick
BRICS-Gifpel in Brasilien

Ein heterogenes Bündnis mit alternativen Ideen zur Weltordnung

Durch die Erweiterung der BRICS-Staaten werden antiwestliche Stimmen innerhalb der Gruppe gestärkt. Die Heterogenität macht eine gemeinsame Linie in der internationalen Politik- und Finanzpolitik fast unmöglich.

Imago/ Anadolu Agency/ Murat Gok

Am Wochenende kam das BRICS-Bündnis in Brasilien erstmals in erweiterter Fassung zusammen. Zu den Gründungsmitgliedern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika sind – auf Betreiben Chinas und Russlands – sechs neue Länder hinzugestoßen. Dadurch hat sich das Gleichgewicht innerhalb der Gruppe verschoben und die BRICS-Gruppe ist größer und somit komplexer geworden. Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Äthiopien, Indonesien und Iran sind nun Vollmitglieder.

Das Forum der Staaten im Globalen Süden, an dessen Gründung Brasilen 2009 selbst mitgewirkt hat, war einst eine bedeutende Plattform für ein einzigartiges Netzwerk mit anderen aufstrebenden Volkswirtschaften außerhalb der westlichen Industrieländer. Die Machtverschiebung im internationalen Umfeld hat aber in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass sich die BRICS-Gruppe immer mehr politisiert und dementsprechend auch erweitert hat.

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Der Einfluss des Westens nimmt auf dem geopolitischen Parkett immer weiter ab, während die aufstrebende Weltmacht China die US-Hegemonie zunehmend herausfordert. Gleichzeitig erodiert die wirtschaftliche Potenz der USA. Die am 2. April angedrohten Zölle haben den Status der USA als sicherer Hafen für Anleger infrage gestellt. Zudem gerät der Status des Dollars als Reservewährung ins Wanken. Damit gewinnen alternative Organisationen wie BRICS als Gegengewicht zu westlichen Organisationen wie der G7 zunehmend an Bedeutung.

In seiner Eröffnungsrede im Museum für Moderne Kunst von Rio warf der Präsident Brasiliens Lula den Großmächten vor, „das multilaterale System“ zum Zusammenbruch geführt zu haben. „Das Völkerrecht ist zu toten Buchstaben geworden“. In seiner Rede kritisierte er auch die Erhöhung der Ausgaben des Militärbündnisses NATO. Es sei offensichtlich „einfacher, fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung aufzuwenden, als das alte Versprechen zu erfüllen, 0,7 Prozent des BIP in die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern zu investieren“. Lula träumt von einer multipolaren Welt, in der Brasilien eine regionale Führungsrolle einnähme. Brasilien stellte sich gleichzeitig gut mit den USA und Europa, sowie Israel und den arabischen Staaten. Lula weiß, dass der Aufstieg des globalen Südens ohne westliche Kooperation keine Aussicht auf Erfolg hat.

BRICS kein homogenes Bündnis

Betrachtet man aber die weiteren Mitglieder von BRICS genauer, wird deutlich, dass dieser brasilianische Multilateralismus schnell an seine Grenzen stößt. Mit der von China gewünschten Vergrößerung der BRICS hat die asiatische Großmacht an Einfluss innerhalb des Bündnisses gewonnen und versucht, es auf einen strikt antiwestlichen Kurs einzuschwören. Aber gerade Indien und Brasilien lehnen genau diese Position ab und fürchten nun, dass ihre Stimmen an Gewicht verlieren. Indien, Brasilien und Südafrika möchten die Beziehungen unter den Staaten des Globalen Südens vertiefen, ohne die USA zu verprellen.

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Die BRICS-Vereinigung ist vor diesem Hintergrund eined heterogene Gruppierung, in der die Mitgliedstaaten diverse Ambitionen durch die Mitgliedschaft in der BRICS verfolgen und vor allem zum weltordnenden Westen unterschiedlich stehen. In der Gruppe sind mit China und Indien zwei große Rivalen mit unterschiedlichen Ambitionen Mitglied. Während Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ihre außenpolitischen Beziehungen durch einen Beitritt zu BRICS diversifizieren möchten, versucht der Iran, seine internationale Isolation zu durchbrechen.

Russland bewertet im Gegensatz zu Indien die BRICS-Verbindung als ein anti-westliches Bündnis und sieht seine führende Rolle als willkommene Gelegenheit, die US-Sanktionen gegen sich zu umgehen und eine Front gegen den Westen zu schmieden. Indien und Brasilien haben aber kein Interesse, die Sicherheitspartnerschaft mit den USA zu riskieren. Neben den indopazifischen Rivalen China und Indien wird auch mit der Aufnahme Irans und Saudi-Arabiens in der Tat eine weitere regionale Rivalität in die Staatengruppe hineingetragen.

Chinas Staats- und Regierungschef Xi Jinping blieb auch dem Spitzentreffen der BRICS am Wochenende fern, mutmaßlich vor dem Hintergrund der Kritik an Brasiliens Entscheidung, nicht dem globalen chinesischen Infrastrukturprogramm „Seidenstraße“ beizutreten.

Abschlusserklärung in Brasilien

Die Abschlusserklärung des BRICS-Gipfels am Wochenende spiegelte die unterschiedlichen Interessen wider, die die Mitgliedstaaten in dieser Gruppe verfolgen. Sie konnten sich auf dem BRICS-Gipfel in Brasilien mühsam auf eine gemeinsame Erklärung mit minimalem Konsens einigen. Die Unterhändler sollen mehr als einen Tag vor dem eigentlichen Beginn des Gipfels mit der iranischen Delegation über den Wortlaut eines Paragrafen der am Sonntag unterzeichneten Abschlusserklärung verhandelt haben.

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Dabei ging es um eine Verurteilung der Angriffe auf den Iran sowie des Krieges in Gaza. Die BRICS-Staaten haben sich stets für eine Zweistaatenlösung zwischen Israel und Palästina ausgesprochen. Nun befindet sich jedoch ein Mitglied in ihren Reihen, das Israel nicht anerkennt. Bezüglich der Zweistaatenlösung hat der Iran seine Ablehnung angemeldet, die separat in der Erklärung vermerkt wurde.

Russland als „Aggressor“ beim Namen bezüglich des Ukraine-Krieges zu nennen, stand nicht explizit in der Erklärung der BRICS-Staaten. Die diesjährige Erklärung war insofern in diesem Punkt praktisch eine Kopie der letztjährigen, in der an die „nationalen Positionen“ in Bezug auf den „Konflikt in der Ukraine“ erinnert wird.
In der Abschlusserklärung wurde zudem die Verhängung einseitiger Sanktionen ohne Unterstützung des UN-Sicherheitsrates kritisiert. „Wir bekräftigen, dass die BRICS-Mitgliedstaaten keine Sanktionen verhängen oder unterstützen, die nicht vom UN-Sicherheitsrat genehmigt wurden“, heißt es in dem Dokument.

In der Abschlusserklärung haben Brasilien und China erstmals explizit ihre Unterstützung für die Bestrebungen Brasiliens und Indiens ausgedrückt, eine relevantere Rolle in den Vereinten Nationen, einschließlich ihres Sicherheitsrats, zu spielen. Durch eine Reform des Sicherheitsrates würde die „Stimme des globalen Südens“ gestärkt, hieß es dort.

Bekommt der Dollar bald Konkurrenz?

Die BRICS-Staaten arbeiten längst an einer alternativen Währungs- oder Zahlungsarchitektur, die den Dollar im Handel zwischen den Mitgliedern teilweise ersetzen soll. Das Ziel der Initiative ist es, die finanzielle Abhängigkeit vom Westen zu senken, geopolitische Risiken durch Sanktionen zu umgehen und Transaktionskosten zu senken. Beim Treffen in Brasilien war die Verwendung von lokalen Währungen bei Transaktionen innerhalb der BRICS-Gruppe erneut ein Thema.

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US-Präsident Donald Trump kündigte nach dem Treffen an, zusätzliche Strafzölle gegen alle Länder zu verhängen, die sich den „anti-amerikanischen Politiken” der BRICS-Staaten anschließen. Bereits im vergangenen Jahr drohte US-Präsident Trump den BRICS-Ländern damit, Zölle zu verhängen, sollten sie Mechanismen entwickeln, um die Verwendung des US-Dollars zu verhindern.

Vor allem Russland, aber auch der Iran sind daran interessiert. Denn beide Staaten sind am stärksten sanktionierte BRICS-Länder, die aufgrund von westlichen Sanktionen keinen Zugang zu internationalen Zahlungssystemen haben. Putin, der per Videoschaltung an dem Gipfel teilnahm, verteidigte die Verwendung nationaler Währungen sowie ein unabhängiges Zahlungssystem innerhalb der BRICS-Staaten.

Die derzeit favorisierte Strategie ist allerdings kein Währungsprojekt wie der Euro, sondern eine multilaterale digitale Plattform. Über diese sollen die Mitgliedsstaaten Geschäfte in ihren jeweiligen Landeswährungen abwickeln. Die Plattform soll teilweise mit Rohstoffen wie Gold oder Erdöl gedeckt werden. Beobachter sind jedoch skeptisch und weisen auf die makroökonomische Heterogenität der Mitglieder hin, die ein solches Projekt kaum umsetzbar macht.

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