Tichys Einblick
Hitzeschutzaktionstag

Der Geist der Pandemiepolitik wandert noch umher

Über den Hitzeschutzaktionstag lässt sich trefflich lästern. Doch hinter den Ideen verbirgt sich ein Geist, der gefährlich ist – und der nach der Pandemie immer noch umherwandert.

Imago/ Political-Moments

Don ist ein Jagdterrier. Im bosnischen Bijeljina ist er als solcher auch ausgebildet worden, vertrug aber den Schusslärm nicht und landete über den Umweg Tierheim in Deutschland. Bei 27 Grad Celsius lief er nach Spaziergängen um den Weiher auf dem Weg zum Auto voraus, um auf sein Herrchen im Schatten zu warten. Außerdem nutzte er jede Chance zum Trinken und aß tagsüber weniger als sonst. Wenn es über 35 Grad Celsius warm war, verweigerte er jeden Spaziergang, leerte sich gleich im Vorgarten aus und zog sich dann auf einen möglichst schattigen Platz zurück. Don hatte schon immer einen Hitzeschutzplan, mit dem er mittlerweile gut durch seinen 15. Sommer kommt. Die Bundesregierung aber traut ihren Bürgern weniger zu als einem Hund mit abgebrochener Berufsausbildung.

Hitzeaktionstag am 4. Juni
Die Hoffnung auf Angst richtet sich gen Himmel
Klar sollte sich jeder ab einer gewissen Höhe von Temperaturen schützen. Und es ist auch nichts gegen gewisse Vorschläge zu sagen: Im Schatten gehen. Nackte Haut in der Sonne eincremen. Genug trinken. Möglichst Wasser und nicht Cola oder Schnaps. Doch sind das alles so banale Vorschläge, dass sie jeder schon gehört hat: von seinen Eltern, Betreuerinnen im Kindergarten oder im Vorschulfernsehen. Kurzum, als er ein Kind war. Und wie Kinder behandelt der Staat seine Bürger. Ein Halter kann seinem Hund mehr zutrauen, als es der Bund mit seinem Souverän tut – denn das ist das Volk in der Demokratie. Auch wenn immer mehr Politiker und Mitarbeiter in der Verwaltung das immer öfters vergessen.

Klar kann sich die Gesundheitspolitik als Schwerpunkt um den Hitzeschutz kümmern. Wenn es sonst nichts zu tun gibt: Wenn die Kassenbeiträge nicht gerade derart durch die Decke gehen würden, so dass es Wirtschaft, Wohlstand und sozialen Frieden in Deutschland gefährdet. Wenn es genügend Arzttermine gäbe. Genügend Nachwuchs unter den Pflegern und Ärzten.

Gesundheit ist der Politik egal:
Auf der Prioritätenliste ganz unten: Gesundheitspolitik versinkt in Bedeutungslosigkeit
Genügend Medikamente für Kinder in der Grippesaison. Genügend Krankenhausplätze. Doch genau das alles ist derzeit der Fall. Wobei die Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Da sich dem Hitzetod zuwenden und mit dem Tipp durchs Land zu ziehen, viel zu trinken, wenn es heiß ist, ist von einer kaum zu beschreibenden Absurdität. Don würde sein Herrchen auslachen, wenn der ihm klar machen wollte, dass er bei 35 Grad Celsius mehr trinken sollte als üblich. Das weiß auch der Jagdterrier mit abgebrochener Berufsausbildung.

Klar gibt es einige wenige, die in der Hitze geschützt werden müssen. Kleine Kinder zum Beispiel. Aber die müssen immer geschützt werden. Am besten von ihren Eltern. Wer seine Kinder vernachlässigt, ist verachtenswert – immer – aber bei 30 Grad Celsius und mehr dürfte er sich kaum besser verhalten, bloß weil die Bundesregierung einen Aktionsplan erstellt hat. Zudem sollten demenzkranke 90-Jährige in der Hitze durchaus daran erinnert werden, genügend zu trinken. Doch in der Regel wissen Pfleger oder Angehörige das. Falls nicht, sagt ihnen das ihr Instinkt. Oder 70-jährige Herzpatienten sollten bei 40 Grad Celsius keinen Marathon laufen. Aber dafür gibt es ihren Arzt, um ihnen das zu sagen. Falls der 70-jährige Herzpatient sich aber weigert, regelmäßig den Doktor zu besuchen – dann ist ihm halt auch nicht mehr zu helfen.

Hitzeschutzplan für den Sport
Karl Lauterbachs Endgegner: Die tödliche Gefahr wartet auf dem Grill
Aber genau das ist der Gedanke, der hinter der Hitze-Initiative steckt, die das Gesundheitsministerium noch unter Karl Lauterbach (SPD) entwickelt hat. Sie ist durchtränkt von dem Geist, den auch die Corona-Maßnahmen geprägt haben, deren prominentester Fürsprecher der Talkshow-Dampfplauderer aus Leverkusen war: Weil einzelne tatsächlich gefährdet sind, sollen sich alle einem detaillierten Regelwerk unterwerfen, dass ein überfürsorglicher Nanny-Staat entwickelt hat und seinem Souverän überstülpt. Einer, der seinen Bürgern weniger zutraut als ein Herrchen seinem Hund.

Das ist lustig. Darüber lässt sich trefflich scherzen. Das hat TE diese Woche auch getan. Doch die Aktionswoche zeigt, dass der Geist der Pandemiepolitik noch umherwandert. Wider alles besseres Wissen, das wir heute haben (könnten). Wer in der Politik und der Verwaltung heute meint, das Privatleben der Bürger reglementieren zu müssen und zu können, weil das Thermometer zwei oder drei Grad Celsius mehr als üblich anzeigt, der wird es erst recht tun, wenn wirkliche oder zumindest bedrohlichere Gefahren anstehen. Die “absolute Killervariante” Lauterbach tingelt schon wieder durch die Talkshows, seitdem ihn die SPD als Minister ausgemustert hat. Wer nicht wieder mit dem Verbot die Familie zu besuchen, mit Ausgangssperren, Impfpflicht oder Maskenpflicht im Freien aufwachen will, der sollte jetzt nicht schlafen. Auch wenn die Aktionswoche Hitzeschutz einen dazu ermutigt.

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