Tichys Einblick
Habecks Werk und Günthers Beitrag

Northvolt: Der Wirtschaftskrimi, der vertuscht werden soll

Jetzt hat auch das Northvolt-Stammwerk in Schweden Insolvenz angemeldet. Der deutsche Standort Heide wird immer mehr zum Tatort eines Wirtschaftskrimis, in dem der Anteil von Robert Habeck und Daniel Günther einer Aufklärung harrt. 620 Millionen bis 1 Milliarde Euro Steuergelder scheinen verloren.

Northvolt-Baubeginn bei Heide in Schleswig-Holstein, symbolischer Spatenstich, 25.03.2024

IMAGO / Chris Emil Janßen

Das hatten sich die neuen Blockfreunde aus Deutschlands hohem Norden so schön vorgestellt: Dass die ganze Welt elektrisch werden soll, wünschten sich Robert Habeck und Daniel Günther herzinniglich, dass VW E-Autos produziert, die alle Welt plötzlich kaufen will, weil eine Klimafee mit bestellten Gutachten herumfuchtelte – und die Batterien dafür sollten von Northvolt kommen, die in Heide in Habecks und Günthers Bundesland Schleswig-Holstein produziert werden würden. So einfach und so sicher sah das in der Hochglanz-Power-Präsentation der Politik aus.

Leider ist im hohen Norden bei Habeck und Günther auch über 35 Jahre nach der Friedlichen Revolution in der DDR immer noch nicht angekommen, dass Sozialismus eine ganz schlechte Idee ist, auch dann, wenn man ihn klimaneutrale Gesellschaft nennt, was auf eine wirtschaftsneutrale Gesellschaft mit wachsendem Degrowth-Potential hinausläuft, bis eben nichts mehr da ist.

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Ende März jedenfalls 2024 erfolgte unter großem Getöse der erste Spatenstich in Heide zur Errichtung des Batteriewerkes. Ein 110 Hektar großer Industriekomplex mit rund 3.000 Beschäftigten sollte entstehen, um jährlich Batteriezellen mit einer Speicherkapazität von bis zu 60 Gigawattstunden zu produzieren. Am ganz großen Rad wollten Habeck und Günther drehen. Und die beiden Weltökonomen und Meisterinvestoren, als die sich die Blockfreunde Robert Habeck von den Grünen und Daniel Günther von der CDU sahen, gaben sie sich erst gar nicht mit einem umständlichen Verfahren wie einer EU-Förderung ab, sondern es sollte gern groß, geradezu gernegroß, und vor allem schnell losgehen.

Also einigten sich die beiden Möchtegernunternehmer im Nebenberuf, dass die KfW eine Wandelanleihe von 600 Millionen Euro herausgibt, für die hälftig der Bund und das Bundesland Schleswig-Holstein bürgen, das heißt zu 100 Prozent der Steuerzahler, denn Steuergeld ist bekanntlich für Politiker das billigste Geld, leicht über ein gewachsenes und ausdifferenziertes Repressionssystem einzutreiben und noch leichter nach Gusto auszugeben. Persönliche Haftung existiert nicht, im Zweifelsfall tritt der Mechanismus der kollektiven Verantwortungslosigkeit ein.

Nur knapp acht Monate nach dem pompösen ersten Spatenstich beantragte im November 2024 Northvolt in den USA Gläubigerschutz nach Chapter 11 des US-Insolvenzrechts und im März 2025, ein Jahr nach dem ersten Spatenstich meldete das Unternehmen zusätzlich Insolvenz in Schweden an.

Der Schaden für Habecks und Günthers Monopoly dürfte für den deutschen Steuerzahler bei Minimum 620 Millionen Euro liegen, wahrscheinlich wird sich diese Summe aber am Ende des Tages auf 1 Milliarde Euro hochaddieren. Habeck verschanzt sich hinter der Prüfung des Kreditrisikos durch die Wirtschaftsberatungsfirma PwC. Angeblich stufte die Due Diligence durch PwC das Risiko der Wandelanleihe als vertretbar ein. Über die Interpretation des Gutachtens bestehen erhebliche Differenzen. Doch nachprüfen lässt sich das natürlich nicht, denn wie durch Geisterhand wurde das PwC-Gutachten plötzlich und vor allem nachträglich von Habecks Ministerium zur vertraulichen Verschlusssache erklärt.

Sollte PwC wirklich nicht die geringste Ahnung von den Schwierigkeiten von Northvolt gehabt haben, einer Firma, die knapp acht Monate nach dem ersten Spatenstich in Heide Insolvenz anmeldet? Und warum erklärte das BMWK, warum erklärte Robert Habeck die Due Dilligence plötzlich zur Verschlusssache, was sie nicht von Anfang an war? Auf Anfrage von TE beruft sich das BMWK auf § 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verschlusssachenanweisung (VSA). Doch dem widerspricht Wolfgang Kubicki in der Bild und erklärt, eine nachträgliche Geheimeinstufung sei „rechtlich nicht zulässig“.

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Plötzlich fiel dem BMWK auf: „Die Due-Diligence-Analyse bezieht sich wesentlich auf die Geschäftsentwicklung und -planung der Northvolt AB, enthält Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Diese Daten wurden dem Bund im Vertrauen auf Vertraulichkeit übermittelt. Sie hätten ohne eine Zusicherung der Vertraulichkeit nicht erhoben bzw. übermittelt werden können.“ Doch warum war dann das Gutachten nicht von Anfang an als „Verschlusssache vertraulich“ eingestuft, sondern erst jetzt nach der Northvolt-Misere – jetzt, wo Fragen auftauchen? Die Zusicherung der Vertraulichkeit bestand doch von Anfang an. Diese Frage stellte TE auch dem Habeck-Ministerium. Wir wollten wissen, weshalb das Gutachten erst später und nachträglich zur Verschlusssache erklärt wurde und bekamen die Antwort: „Eine Einstufung muss dann erfolgen, wenn die Schutzinteressen es erfordern.“ Northvolts Schutzinteressen? Oder Habecks und Günthers Schutzinteressen?

Am Mittwoch, den 29. Januar, tagte von der Öffentlichkeit bis auf TE zunächst weitestgehend unbemerkt zu später Stunde der Haushaltsausschuss, weil die Opposition dem Verhalten des Bundeswirtschaftsministers in der Northvolt-Angelegenheit auf den Grund gehen wollte. Im Vorfeld wurde gerätselt, ob der Minister selbst erscheinen oder einen Vertreter schicken würde. Angesichts der Brisanz der Vorwürfe, die im Raum stehen, erschien Habeck selbst, nachdem die Restampel die Sitzung des Haushaltsschusses überraschend als geheim einstufte. Nicht nur die Due Diligence, sondern auch die Ausschusssitzung wurden nun zum Staatsgeheimnis erklärt. Nichts sollte von Habecks Desaster nach außen dringen.

Laut Bild berichtete das Mitglied des Haushaltsausschusses Andreas Mattfeldt, dass Habeck „erst nach massivem Druck“ bereit gewesen sei, überhaupt Auskunft zu geben und habe dann auch nur das und noch dazu „stückchenweise“ eingestanden, was ohnehin schon bekannt war. In dieser Ausschusssitzung soll Robert Habeck überdies versucht haben, den CDU-Politiker Andreas Mattfeldt massiv zu bedrohen: „Habeck hat mich sowohl im Ausschuss als auch beim Herausgehen im Beisein der Kollegen fast schon attackiert und gewarnt: Ich müsse aufpassen, was ich von mir gebe. Es könne dazu führen, dass ich eine Strafanzeige erhalte“, so Mattfeldt. Er habe es von Habeck als „eine Täter-Opfer-Umkehr und nahezu schon als Drohung empfunden, was passieren könne, wenn ich weiter auf den Zahn fühle“.

Habeck wies laut Bild die Vorwürfe zurück und will im Ausschuss die Fragen von Mattfeldt „ruhig und sachlich beantwortet und ausführlich Stellung genommen“ haben. Wahrscheinlich so „ruhig und sachlich“, wie er den Rentner Stefan Niehoff und weitere Bürger anzeigte und bedrohen ließ, so „ruhig und sachlich“, wie Habeck nach einer Rede im Bundestag im Mai 2023 auf den CDU- Bundestagsabgeordneten Tilman Kuban losging, als der kritische Fragen zur Habeck-Graichen-Kellner-Affäre stellte.

Wie aus dem Haushaltsausschuss zu vernehmen war, behauptet Habeck, dass PwC das Risiko eines Ausfalls als gering einstufte, sodass die Ausreichung der Wandelanleihe auf der Grundlage der Beurteilung von PwC gerechtfertigt war. Eine steile Behauptung! Denn genau an dieser Darstellung bestehen große Zweifel. Im Raum steht die Frage, ob Habeck absichtlich das Gutachten falsch interpretierte und großzügig über die Warnungen hinweggelesen habe, weil er unbedingt Northvolt ansiedeln wollte. So eindeutig, wie Habeck behauptet, soll das Gutachten von PwC nicht ausgefallen sein. Mattfeldt jedenfalls schätzt inzwischen ein: „Dass die Northvolt-Zahlungen in den berühmten Himmel stinken, dürfte jedem klar geworden sein.“

Weshalb sollte sonst die Sitzung des Haushaltsausschusses als geheim eingestuft worden sein? Was hat Habeck zu verbergen? Doch damit enden die Merkwürdigkeiten um das PwC-Gutachten nicht, denn dem Vernehmen nach einigte man sich im Haushaltsausschuss, dass das Gutachten zur Begutachtung dem Bundesrechnungshof überstellt wird, der es bewerten soll. Doch genau dazu will sich der Bundesrechnungshof nicht äußern. Der Bundesrechnungshof weigert sich nicht nur, Auskunft darüber zu geben, wann er die Prüfung der Due Diligence abschließt, sondern er verweigert überdies jede Auskunft darüber, ob ihm überhaupt die Due Diligence von PwC vorliegt und ob er sie überhaupt zu überprüfen gedenkt.

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Mattfeldt hat zwar recht, wenn er vermutet: „Vieles deutete für mich darauf hin, dass die Verfehlungen noch größer sind, als seinerzeit im Ausschuss besprochen wurde“, nur stellt sich die Frage, ob die CDU immer noch und wirklich an der Aufklärung der Northvolt-Affäre interessiert ist, schließlich steckt Daniel Günther von der CDU genauso tief im Northvolt-Sumpf wie Robert Habeck von den Grünen.

Insofern wundert es nicht, dass sich Politiker der Grünen und ihre guten Freunde in der CDU gegenwärtig die Knie blutig, die Stimmen heiser und die Handflächen feuerrot reiben beim Versuch, die Northvolt-Affäre gesund zu beten. Lasse Petersdotter mit der den Grünen angeborenen Fachkenntnis verkündete: „Es wird dafür einen Investor geben, da bin ich sehr zuversichtlich.“ Und sein Blockfreund Lukas Kilian von der CDU halluziniert schon die Rettung, denn Heide steht doch proper da: „Wir haben den grünen Strom, wir haben die gute Anbindung, wir haben die Fachleute dort.“ Na, wenn da nicht die Investoren Schlange stehen, wie nach drei Jahren Habeck-Rezession überall in Deutschland.

Die Wirklichkeit sieht anders aus: Jetzt hat auch das Stammwerk von Northvolt in Skellefteå in Schweden Insolvenz angemeldet. Wie der Insolvenzverwalter Mikael Kubu mitteilt, läuft derzeit für die Batteriezellenproduktion in Skellefteå (Betriebsstätte von Northvolt Ett AB) ein Due-Diligence-Prozess. Doch viel Hoffnung scheint Kubu nach Sachlage nicht zu besitzen, denn: „Die Insolvenzmasse sieht derzeit jedoch keine realistischen Aussichten für eine kurzfristige Übernahme der Produktion durch einen Käufer.“ Zwar wird noch durch eine „begrenzte Anzahl von Mitarbeitern und Unterstützung des bestehenden Kunden“ die Batteriezellenproduktion weitergeführt, doch „tragfähig“ ist diese Vereinbarung langfristig „weder für einen einzelnen Anteilseigner noch für die Insolvenzmasse selbst“, sodass ein „schrittweiser Abbau der Batteriezellenproduktion in Northvolt Ett eingeleitet“ wurde, „mit dem Ziel, die Produktion bis zum 30. Juni einzustellen“.

Der noch „bestehende Kunde“ ist die VW-Tochter Scania. Gegenüber dem schwedischen Sender SVT erklärte vor kurzem ein Pressesprecher von Scania, dass Scania nicht mehr bei Northvolt kaufen werde: „Leider ist dies für Scania finanziell nicht mehr tragbar.“ Die Batteriezellen sind durch das Insolvenzverfahren zu teuer geworden. Inzwischen machen Gerüchte die Runde, dass Scania künftig die Batterien von dem chinesischen Unternehmen CATL beziehen wollen, einem Branchenriesen. Scania hält sich vorerst allerdings noch bedeckt: „Heute geben Northvolt und der Insolvenzverwalter bekannt, dass sie die Produktion einstellen. Dann sollten wir hier nicht über andere Lieferanten reden.“ Allerdings hat Volkswagen seine Beteiligung an Northvolt bereits abgeschrieben.

Alles auf Kosten der Steuerzahler
Aus der Serie "Habecks teure Desaster": 620 Millionen Euro für Northvolt
Schaut man auf die Firmengeschichte, ist es nicht recht glaubhaft, dass PwC eine Unbedenklichkeitserklärung in Form einer Due Diligence zum Investitionsrisiko abgegeben haben soll, denn seit dem Start der Produktion von Batteriezellen im Stammwerk Skellefteå Ende 2022 traten immer wieder so massiv Qualitätsprobleme auf, dass Northvolt-Aktionär BMW einen Auftrag mit einem Volumen von 2 Milliarden Euro stornierte. Weshalb Northvolt wohl nicht an einer EU-Förderung, sondern an einer Wandelanleihe interessiert war, könnte der geheime Zwischenbericht, der von der schwedischen Finanzzeitung Dagens industri unter dem Titel „Northvolts geheime Horrorzahlen“ im Dezember 2023 veröffentlicht wurde, erklären, wonach Northvolt in den ersten neun Monaten 2023 einen Nettoverlust von etwa einer Milliarde Dollar einfuhr.

Dagens industri schrieb: „Die Probleme des Batteriekonzerns Northvolt nehmen zu. Die Milliardenverluste häufen sich und die Produktion lag im dritten Quartal auf einem bemerkenswert niedrigen Niveau … Zudem setzen sich die Probleme auch im vierten Quartal fort – die Auslieferungen an den wichtigen Kunden Scania bleiben minimal.“ Doch im Januar gelang es Northvolt, 5 Milliarden Euro über grüne Kredite zu erlangen, nicht zu vergessen Habecks und Günthers famose Wandelanleihe. Geholfen hatte das indes nicht. Die Qualitätsprobleme führten dazu, dass die Produktionskosten in die Höhe schossen und nicht so viel Batterien geliefert werden konnten, wie geplant. Bald schon begann Northvolt, Tochtergesellschaften zu verkaufen in der Zeit, in der Habeck und Günther die Wandelanleihe durchsetzen.

Das beschauliche Heide wird immer mehr zum Tatort eines Wirtschaftskrimis, in dem der persönliche Anteil von Robert Habeck und Daniel Günther einer Aufklärung harrt. Es dürfte sich um eine Summe von 620 Millionen bis 1 Milliarde Euro Steuergelder handeln, die verloren zu sein scheint. Aber noch andere Fragen stellen sich: Durften Habeck und Günther überhaupt ein so hohes Risiko eingehen? Wie hoch war das Risiko zum Zeitpunkt, als sie es eingingen? Hätten sie nicht zwei Gutachten einholen müssen? Warum blieb ihnen die Schwierigkeit von Northvolt verborgen, die jedem Beobachter deutlich wurden? Gab es warnende Stimmen im BMWK? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, fanden sie Gehör, gingen sie ein in die Prüfung?


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