Tichys Einblick
Nigel Farage

Liberal-konservativer Umsturz in Großbritannien: Ist er der künftige Premier-Minister?

Schwere Tage für die Tories. In neuen Umfragen sind die britischen Konservativen auf den vierten Platz im Parteiensystem abgerutscht. Der neue Shootingstar der britischen Politik heißt dagegen Nigel Farage. Bei den nächsten Wahlen gilt ein Reform-UK-Sieg als wahrscheinlich. Farage könnte Premier werden.

picture alliance / empics | Owen Humphreys

Der Buchmacher Coral hat seine Quoten für den Ausgang der nächsten Wahlen zum Unterhaus angepasst. Dass Reform UK, die Partei von Nigel Farage, eine Mehrheit der Sitze erringen wird, gilt nun als das wahrscheinlichste Ergebnis bei den nächsten Parlamentswahlen. Doch nicht nur das: Auch dass Farage der nächste Premierminister wird, ist laut Coral höchst wahrscheinlich. Farage hängt bei diesem Thema inzwischen den Amtsinhaber Keir Starmer ab. Es wird auch schon über die labour-interne Nachfolge von Starmer gesprochen. Kemi Badenoch von den konservativen Tories kommt nur noch auf den dritten Platz. Und das entspricht wiederum den aktuellen Umfragen.

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Nächstes Jahr werden zunächst die devolutionierten Parlamente in Schottland und Wales gewählt. Im schottischen Holyrood peilt Reform den zweiten Platz an, hinter dem Platzhirsch SNP. Damit wären wiederum Labour und Tories symbolisch entthront. In den walisischen Umfragen gibt es ähnliche Aussichten: Die Regional- oder Nationalpartei Plaid Cymru auf dem ersten Platz, dahinter Reform. Reform UK etabliert sich damit auch als Partei der Union, die in allen Nationen des Königreichs punkten kann.

Derweil fallen die Konservativen unter Kemi Badenoch in einer YouGov-Umfrage für die Times auf den vierten Platz hinter die Lib Dems zurück. Der Unterschied zwischen beiden Parteien übersteigt mit drei Prozentpunkten nicht die Fehlertoleranz. Reform führt in dieser Umfrage mit sieben Punkten Abstand vor Labour. Die neue Hackordnung lautet demnach: Reform (29 Prozent) – Labour (22 Prozent) – Lib Dems (17 Prozent) – Tories (16 Prozent) – Grüne (10 Prozent). Im Vergleich mit den letzten Wahlen hat Reform den Konservativen ein Drittel ihrer Wähler abspenstig gemacht. Die Lib Dems gewinnen von beiden ehemals großen Parteien. Labour gibt außerdem Stimmen an die Grünen ab.

Starmers EU-Unterwerfung

Trotz dieser Fragmentierung der Stimmen rechnen Beobachter bei den nächsten Unterhauswahlen mit einer altgewohnten Wahlkampf-Aufstellung: Es wird um die Alternative zwischen Amtsinhaber Starmer und seinem Hauptkonkurrenten gehen. Und der wäre nach Lage der Dinge Reform-Führer Farage.

Die britische Presse feierte nun allerdings zum ersten Mal einen Auftritt von Kemi Badenoch als Oppositionsführerin bei den Fragen an den Premierminister (Prime Minister’s Questions). Das mag ein Aufbäumen der sympathisierenden Presse gegen die Umfrage-Misere sein. Man will Badenoch noch nicht ganz fahren lassen.

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Starmer wiederum scheinen seine Bemühungen, das Königreich wieder näher an die EU zu führen, nicht zu nutzen – im Gegenteil. Während sich das Land gefühlt im Würgegriff einer nicht zurückgehen wollenden Zuwanderung befindet, hat Starmer mit den EU-Vertretern neue Ausnahmen für Jugendliche und Erasmus-Studenten ausgehandelt, obwohl das weitaus eher im kontinentalen Interesse sei als im britischen, wie man lesen kann. Noch schlimmer: Er hat die „dynamische“ Unterwerfung unter die EU-Standards zur Agrar- und Lebensmittelproduktion abgenickt. Was immer die EU morgen für ihren Binnenmarkt beschließt, wird dann auch in England, Schottland, Wales und Nordirland gelten. Außerdem bleiben britische Fischereigründe weitere 13 Jahre bei der EU. All das wird von der Brexit-Partei als Unterwerfung gewertet, auch von Nigel Farage.
Im Gefängnis für einen Post

Im Durham County Council haben die Reform-UK-Abgeordneten mit ihrer Mehrheit die Abteilungen für „Nachbarschaften und Klimawandel“ und „Gleichstellung und Inklusion“ umbenannt. Sie heißen nun „Nachbarschaften und Umwelt“ beziehungsweise „Stärkere Gemeinschaften und Zusammengehörigkeit“. Das sind symbolische Schritte, die aber in die richtige Richtung gehen, weg von einer ideologischen Politik, zurück zur Sachpolitik.

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Derweil werden die amerikanisch-britischen Beziehungen auch durch den Fall von Lucy Conolly belastet, die derzeit wegen eines Social-Media-Posts für 31 Monate (zweieinhalb Jahre) im Gefängnis sitzt. Sie hatte sich schuldig bekannt. Conolly hatte sich allerdings für ihren Post entschuldigt und ihn nur vier Stunden nach Verfassen gelöscht.

Der Post, geschrieben am Tag des Mordanschlags auf junge Mädchen in Southport, begangen von dem IS-inspirierten Axel Rudakubana, las sich so: „Massendeportationen jetzt, zündet von mir aus alle verdammten Hotels voller Bastarde an, und wenn ihr schon dabei seid, vergesst die verräterischen Regierungspolitiker nicht. Ich fühle mich körperlich krank, wenn ich daran denke, was diese Familien [in Southport] jetzt ertragen müssen. Wenn mich das zu einem Rassisten macht, dann soll es so sein.“

Marco Rubio wurde nun laut dem Telegraph informiert. Der Fall kommt zu anderen hinzu, die schon jetzt die Beziehungen zwischen der US-Regierung und mehreren europäischen Regierungen belasten.

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