Tichys Einblick
Wirkliche und Scheingefahren in einem Bericht

Nur wegen Gaza? „Ausländisch“ motivierte Straftaten nehmen um 99 Prozent zu

Beim nun vorgelegten Bericht zur politisch motivierten Kriminalität geht wieder vieles durcheinander. Reale Gefahren werden ausgeblendet, die Scheingefahr durch angeblich „rechte“ Umtriebe wird weiter aufgeblasen – auch durch das Kunstmittel der Hakenkreuzschmiererei.

picture alliance / epd-bild | Christian Ditsch

Alexander Dobrindt hatte die Ehre, die Zahlen zu politisch motivierten Straftaten aus dem vergangenen Jahr vorzustellen. Erarbeitet oder zusammengetragen wurden sie freilich noch unter seiner SPD-Vorgängerin, und das merkt man dem Zahlenwerk durchaus an. Die Zahlen sind insgesamt das sechste Jahr in Folge gestiegen, und allein im Vergleich zum letzten Jahr um gut 40 Prozent. Als Gründe wird neben verschiedenen Wahlen vor allem der Gaza-Krieg benannt.

In der Tat gab es eine starke, wo nicht erstaunliche Zunahme der politisch motivierten Straftaten um 40 Prozent. Insgesamt wurden mehr als 84.000 Taten im Bereich der politisch motivierten Kriminalität verzeichnet. Vielleicht war zum Teil aber auch eine gesteigerte Aufmerksamkeit der Behörden der Grund für die Zunahme. Dobrindt seufzte etwas von einem „noch nie dagewesenen Anstieg der Fallzahlen“ und „einer bedenklichen Entwicklung“. Er wies seinerseits auf die hohe Zahl antisemitischer Straftaten hin, die man nicht hinnehmen könne.

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Trotzdem sollen es wieder einmal die Taten aus dem rechtsextremistischen Spektrum gewesen sein, die besonders stark – nämlich um 48 Prozent – zunahmen. Zugleich machen sie fast die Hälfte aller aufgezeichneten „Vorfälle“ aus. Der Austauschbegriff ist nicht ohne Sinn, denn es gibt zwei Arten von Verbrechen, die hier in eine Statistik gerührt werden. Bei den Gewalttaten dominieren die rechtsextremistisch motivierten Taten keineswegs. Sie machen hier weniger als ein Drittel aus, während sich die Gewalttaten aufgrund ausländischer Ideologien praktisch verdoppelt haben: ein Plus von 99 Prozent. Das ist die stärkste Zunahme weit und breit, und man könnte vermutlich oft darüber streiten, ob die Taten nun „ausländisch“ oder doch „religiös motiviert“ waren.

Dieses Ungleichgewicht lenkt den Blick auf die sogenannten „Gedankenverbrechen“, vor allem die Verwendung von verbotenen Symbolen. Mehr als jeder dritte aller aktenkundigen Fälle waren solche sogenannten Propagandadelikte: 37 Prozent oder rund 31.000 Fälle. Aber auch die Bundespolizei hat erst Anfang Mai wieder bestätigt: Das von einem Syrer irgendwo an eine Wand geschmierte Hakenkreuz wird noch immer dem Phänomenbereich „rechts“ zugeordnet. Wann wird diese Polizeirichtlinie endlich wirksam in allen Bundesländern und im Bund geändert?

Sogar der Anschlag auf das Büro eines sächsischen AfD-Landtagsabgeordneten lässt sich offenbar als „rechts“ einordnen, wiederum weil ein Hakenkreuz auf dem Gebäude prangte. Solche Zuweisungen lassen die Statistik insgesamt fragwürdig erscheinen.

Man kann es auch so betrachten: Linksextreme Taten machten im letzten Jahr 12 Prozent aller Fälle aus. Aber wenn man die 31.000 Propagandadelikte einmal versuchsweise der rechtsextremen Sphäre zuschlägt, dann kommt man auch dort zu einem ähnlichen Anteil von etwa 11 Prozent. Überhaupt: Warum stehen hier Propagandadelikte wie Wand-Schmierereien auf derselben Stufe wie politisch motivierte Gewalt oder gar Terrorismus? Diese Vermengung gehört abgeschafft oder zumindest klarer kommuniziert. Nur sie erlaubte es Nancy Faeser, jahrelang vom Rechtsextremismus als der angeblich größten Gefahr zu sprechen.

Beratungsstellen vermehren die Konfusion

Die bundesdeutschen Opferberatungsstellen vermehren diese Konfusion noch, indem sie global vor einem Anstieg „rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt“ warnen. Diese Warnung liegt sozusagen in der DNA dieser Stellen – denn sie alle gehören dem „Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt“ (VBRG) an. Rechts, rassistisch, antisemitisch – das soll offenbar eine nicht weiter zu differenzierende Masse sein. Dabei finden sich Rassismus und namentlich Antisemitismus heute wie einst ebenso „rechts“ wie „links“ in der politischen Geographie wieder, natürlich auch im Feld islamischer Extremisten.

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Die Opferberatungsstellen blenden das aus. Sie sind nur für bestimmte Opfer da, aber scheinen dabei auch einiges zu vermengen. Ihre Zahlen stammen nur aus zwölf von 16 Bundesländern. Für das letzte Jahr berichten die Stellen von 3.453 rechts, rassistisch und antisemitisch motivierten „Angriffen“. Das sei ein Anstieg von 20 Prozent. Polizei und Innenministerium wissen aber nur von 1.488 rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten – und das ist nicht einmal die Hälfte der „Angriffe“ laut VBRG.

Ist ein „Angriff“ vielleicht etwas anderes als eine polizeilich festgestellte Gewalttat? Vielleicht. Die Beratungsstellen sehen sich natürlich als Aufklärer und wollen insofern mehr ‚offenlegen‘ als die Polizei, vielleicht auch subtilere Formen von Angriffen. Oder man zählt auch nicht-rechte, aber dennoch antisemitische oder rassistische „Angriffe“ mit und bläht so – mit dem Füllwort „rechts“ – die eigene anti-rechte Statistik auf. Angestiegen ist übrigens auch die Zahl von Polizei und Innenministerium, wenn auch auf niedrigerem Niveau und weniger stark (plus 17 Prozent) als die „Angriffe“ der Opferberater.

Aufgeblasene Schein- und wahre Probleme

Weitgehend im Dunkel der medialen Betrachtung bleibt weiterhin die Belastung durch die islamisch motivierte Kriminalität. Mehr als 7.000 Straftaten gab es in den Themenfeldern „Israel“ und „Palästina“ – bei einem noch überschaubaren Bevölkerungsanteil der Muslime, die hier wieder einmal deutlich überrepräsentiert sind. Mehr als 2.800 Mal wurde hier zudem ein antisemitisches Motiv festgestellt. Und auch die verschiedenen Terroranschläge gehören an diese Stelle, die zu Recht großes Aufsehen und eine in die Zukunft gerichtete Sorge erregen. Die wiederkehrenden Anschläge legen so einen immer größeren Teil des öffentlichen Lebens lahm: Straßenfeste, Umzüge usw.

Die Angriffe auf politische Gegner nahmen laut den Beratungsstellen sogar um 72 Prozent zu; von 542 „Angriffen“ ist die Rede. Unter den Parteien wurden im vergangenen Wahljahr vor allem die Grünen und die AfD (auf dem zweiten Platz) angegriffen, wie die Welt berichtet.

Ein interessantes Feld bildet schließlich die sogenannte „Hasskriminalität“, also „Straftaten, die durch gruppenbezogene Vorurteile motiviert sind“. Sie wuchs um 28 Prozent, und das bemerkenswerterweise „phänomenübergreifend“ – also vielleicht doch nicht nur „rechts“ zu verorten. Diese „Verbrechen“ bilden mit 19.481 Fällen ein knappes Viertel der gesamten Statistik. 6.236 mal ging es um ein antisemitisches Motiv. Ein knappes Drittel dieser „Hassverbrechen“ wurde „mittels Tatmittel Internet“ begangen.

Man wird bei all dem einen Eindruck nicht los: Die wahren, aktuellen und wachsenden Probleme unserer Gesellschaft liegen nicht auf einer bestimmten, „rechten“ Seite des politischen Spektrums, selbst wenn man darunter weniger CDU, CSU und FDP als die AfD und ihr weiteres Umfeld versteht.

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