Zu Friedrich Merz fällt einem nichts mehr ein. Denkt man – nach so vielen Jahren der vorhersehbaren Wenden. Schon bei der vermeintlichen Migrationswende samt Brandmauersturz war TE skeptisch. Zu oft musste ein Bericht, der auf Merz-Aussagen beruhte, bereits vor Veröffentlichung umgearbeitet werden. Die einzige Regelmäßigkeit bei Merz ist dessen Einknicken – selbst wenn er kurz rebelliert.
Mit der Ansage, einen migrationskritischen Antrag einzubringen, obwohl die AfD zustimmen könnte, hatte Merz linke Aufmärsche und Attacken auf CDU-Liegenschaften ausgelöst. Die Medien rotierten, die Merkelianer drohten mit Enthaltung oder Blockaden – ob nun durch Abweichler im Bundestag oder die schwarz-grünen Koalitionäre im Bundesrat. Einmal schien der Sauerländer etwas konsequent durchsetzen zu wollen.
Von diesem wichtigsten Thema ist heute nichts übrig. Die CDU hat mittlerweile ihre Wahlkampfstrategie erneut geändert. Selbst der Anschlag von München ist offenbar nur noch eine blasse Erinnerung, das Migrationsproblem eine bloße Fußnote. Beim Focus erklärt Merz jetzt seine wichtigsten Anliegen: Es geht um Wirtschaft, um das Umkrempeln des Bürgergelds, um die Entlastung von Rentnern. Merz:
„Ich werde alle Entscheidungen, die wir dann in einer neuen Regierung zu treffen haben, unter eine Frage stellen: Dienen sie der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie? Ja oder nein? Wenn sie der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit dienen, werden wir sie machen. Wenn sie der Wettbewerbsfähigkeit nicht dienen, werden wir es lassen.“
Die oberste Priorität ist also eine andere. Kein Einwand dagegen, dass die ökonomische Lage des Landes, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Energiesicherheit, womöglich zu den Top-Problemen gehört. Dass die Union jedoch das Migrationsproblem, das sie noch vor Tagen als wichtigstes Anliegen bezeichnete, nun aus dem Fokus nimmt, erinnert an jenen Rechtspopulismus, den die CDU/CSU anderen Mitbewerbern unterstellt. Wie unter Angela Merkel geht es nicht um Strategien und Lösungen, sondern um Stimmungen und Bauchgefühle, die man kurzfristig aufgreift. Dazu gehört auch das Spiel mit Worten und Subtext.
Wenn der CDU-Chef etwa ankündigt, dass Robert Habeck unter ihm eher nicht mehr Wirtschaftsminister sein wird, dann muss man Merz richtig lesen: Es bedeutet lediglich, dass Habeck ein anderes Ressort bekommt. Ein Alibi. Doch was nützt es der Republik, wenn Habeck nicht mehr im Wirtschaftsministerium wuchert, sondern als Finanzminister? Weil Finanzpolitik leichter ist als Wirtschaftspolitik? Freilich ließe es sich als Finanzminister problemloser regieren, wenn man mit der SPD zusammen in der schwarz-rot-grünen Koalition gegen die CDU die Schuldenbremse abschafft.
Auch deshalb sind die CDU-Steuerpläne mit Vorsicht zu genießen – sie werden sich mit einem grünen Koalitionspartner kaum durchsetzen lassen. Ähnlich sieht es mit sozialen Anpassungen aus, denn bereits in einer schwarz-roten Koalition (mit welchem Anhängsel auch immer) würden die Sozialdemokraten ihr Leib- und Magenministerium nicht abgeben. Kahlschlag beim Bürgergeld? Nur über die kalte Leiche von Hubertus Heil.
Dass die Wähler diese Spiele leid sind, zeigt sich mittlerweile in den Umfragen: Dort sackt die CDU/CSU unter die psychologisch wichtige 30-Prozent-Marke. Doch auch dafür ist eine Erklärung vorbereitet. Nicht die unglaubwürdigen Versprechen, nicht der grün-sozialdemokratische Anbiederungskurs, sondern der Versuch, die Brandmauer einzureißen, wird von Partei und Medien als Narrativ bemüht, um das unter den Erwartungen liegende Wahlergebnis zu erklären. Oh, wie schön ist Afghanistan!
Am 23. Februar ist die Urnenwahl zum Bundestag. Liegen Sie mit Ihrer Prognose besser als die Demoskopen? Machen Sie mit bei der TE-Wahlwette!