Tichys Einblick
Von Rekord zu Rekord

Goldpreis bald 3000 Dollar pro Unze? Wir stehen kurz davor

Der Wert des Edelmetalls steigt, obwohl die US-Notenbank ihre Zinssenkungs-Serie vorerst stoppte. Denn drei fundamentale Gründe sprechen dafür, dass es für die begehrten Barren trotzdem weiter nach oben geht

picture alliance / Zoonar | Christoph Burgstedt

Wer zu den Anlegern zählt, die ein Teil ihres Ersparten in Gold anlegen, der hat derzeit allen Grund zur Freude: das Edelmetall steht kurz vor einem neuen Allzeithoch. Am 11. Februar 2025 kostete die Feingoldunze zeitweise 2909 Dollar oder 2 819 Euro. Damit überschreitet der Preis die bisherigen Intraday-Bestwerte aller Zeiten schon: 2906 Dollar beziehungsweise 2819,33 Euro. Seit Februar 2024 kletterte der Preis für den raren Wertstoff damit in Dollar um 43, in Euro sogar um 50 Prozent – und das von einem schon damals relativ hohen Niveau. Vor einem Jahr fragten sich viele: lohnt sich der Einstieg noch? Wer es tat, kann eine stolzen Gewinn verbuchen, auf den der Staat außerdem – bis jetzt jedenfalls – nach einem Jahr Haltedauer keine Steuern erhebt. In den ersten Monaten dieses Jahres könnte nun die psychologisch wichtige 3000-Dollar-Marke fallen. Geschieht das, dann dürfte es nach der Ansicht von Marktbeobachtern 2025 noch deutlich weiter nach oben gehen.

Warum drängt der Goldpreis so ungebrochen aufwärts? Jerome Powell, der Chef der US-Notenbank, hatte kürzlich signalisiert, dass die Fed die Zinsen vorerst nicht weiter senken, sondern die Entwicklung der Inflation abwarten will, die schon 2024 wieder deutlich zurückging. Normalerweise müsste eine solche Ankündigung die Lust der Anleger auf Gold bremsen: das Metall dient erstes als Inflationsschutz, und es gewinnt zweitens je mehr Attraktivität, desto tiefer die Zinsen und damit die Gewinnaussichten am Anleihenmarkt fallen. Trotzdem torpedierte Powells Ankündigung die Preisentwicklung für Barren und Münzen ganz offensichtlich nicht. Wie lässt sich das Phänomen erklären?

Grund Nummer eins sind die Goldankäufe der Zentralbanken, die sich 2024 nach Daten des Gold Council weltweit auf 1045 Tonnen beliefen. Damit lagen die Zukäufe von Zentralbanken das dritte Jahr in Folge bei über 1000 Tonnen. Indiens Zentralbank vervierfachte 2024 seinen Golderwerb im Vergleich zu Vorjahr, und stapelte sich 77 zusätzliche Tonnen in die Schatzkammer. China stockte seine Reserven um 44 Tonnen auf, die Türkei um 72 Tonnen. Besonders die neuen Wirtschaftsmächten Indien und China streben offenkundig weiter danach, ihre Abhängigkeit von Dollarbeständen und -Wertpapieren zu mindern. Der heraufziehende Zollstreit der USA mit Peking, der möglicherweise zu einem Zollkrieg ausarten könnte, dürfte auch 2025 die Entdollarisierungs-Strategie Chinas vorantreiben.

Grund zwei für die guten Goldpreis-Aussichten: der schon erwähnte Zoll-Schlagabtausch, mit dem der neue Präsident die Dominanz der USA wieder herstellen will, und das nicht nur auf wirtschaftlichem Gebiet. Donald Trump setzt Zölle erklärtermaßen auch als politisches Druckmittel ein. Bis jetzt verlief das eher glimpflich: Er verschob die Einführung der schon angekündigten Strafaufschläge von je 25 Prozent auf Waren aus Mexiko und Kanada, nachdem die Regierungschefs beider Länder nach anfänglichem Sträuben nun zusicherten, seine Forderungen zu erfüllen: schärfere Grenzkontrollen, und besonders die Bekämpfung des Fentanyl-Schmuggels. Gegen China verhängte Trump zunächst moderate Strafzölle von 10 Prozent, die chinesische Seite reagierte mit angemessenen Maßnahmen. Beide Seiten machten auf diese Weise deutlich, dass sie keinen Handelskrieg wollen, der aus dem Ruder läuft. Doch bekanntlich können Konflikte auch gegen die Absicht der Beteiligten außer Kontrolle geraten. Sollte es einen sehr viel härteren Schlagabtausch zwischen den beiden Wirtschaftsmächten geben, dann trifft das den Welthandel – und mit ihm den Aktienmarkt, der möglicherweise mit einem heftigen Einbruch reagieren könnte. Noch herrscht gute Stimmung an den Börsen – aber eben auch große Nervosität. Die Lenker großer Fonds gehen unter diesen Umständen lieber auf Nummer sicher, indem sie sich etwas mehr von dem edlen Metall zulegen – zumal sich damit nicht nur Absicherung betreiben lässt, sondern Gewinnmöglichkeiten locken.

Der dritte Treiber des Goldpreises heißt: EZB. Anders als die Kollegen der Fed wollen die Euro-Verantwortlichen um Christine Lagarde offenbar auch 2025 weitere Zinssenkungen vornehmen. Das macht Gold erstens generell zu einer guten Anlagealternative, gerade auch für kleinere Anleger, deren Guthabenzinsen in diesem Jahr in den Negativbereich kippen dürften. Zum anderen führt eine weitere Zinssenkung zu einem schwächeren Euro. Da der internationale Goldpreis in Dollar ausgewiesen wird, steigt der Gegenwert der Barren im Depot für Anleger im Euro-Raum noch ein wenig schneller als für Investoren außerhalb. Eigentlich lässt sich noch ein Grund Nummer vier ausmachen: die Unsicherheit über den Ausgang der Wahl und die anschließende Regierungsbildung in Deutschland. Sollte es zu einer Koalition aus Union und SPD kommen, folgt wahrscheinlich eine sogenannte Reform der Schuldenbremse, also eine Aufweichung mit dem Ziel einer höheren Kreditaufnahme. Nach dem Abstieg des hochverschuldeten Frankreichs hängt der Euro aus Sicht von Investoren nur noch an der guten Bonität Deutschlands. Doch die könnte ziemlich schnell bröckeln, wenn die Bundesrepublik die Verschuldung kräftig steigert. Ob das direkt im Haushalt oder durch Nebenkassen mit dem Namen „Sondervermögen“ geschieht, spielt dabei keine große Rolle. Investoren an den Finanzmärkten werden auch das Plädoyer von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel für höhere Schulden mit feinen Ohren registriert haben. Ein weicher Euro in Kombination mit einem schwachen Wirtschaftswachstum im Euroraum: beides liefert zusätzliche Motive, Kapital von Euro-Wertpapieren nicht nur in den US-Aktienmarkt, sondern auch in den Wertspeicher Gold umzuschichten.

Bleibt die Frage für kleinere Anleger: jetzt immer noch einsteigen? Es könnte gut sein, dass Käufer in einem weiteren Jahr ganz ähnlich auf ihren Wertzuwachs schauen wie Goldkäufer, die Anfang 2024 den Preis noch nicht zu hoch fanden.

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