Tichys Einblick
Vier Beobachtungen

„Kleiner Parteitag“ der CSU mit Söder und Merz

Nicht nur Olaf Scholz hat Erinnerungslücken. Wie man beim „Kleinen Parteitag“ der CSU in Nürnberg sieht: Man setzt auf die Vergesslichkeit der Wähler.

picture alliance/dpa | Daniel Karmann

Parteitage sind Parteitage sind Parteitage sind Parteitage … Sie sind Rituale, die nicht eines gewissen Gähnfaktors entbehren. Es ist alles dort Gesagte schon x-mal bei anderer Gelegenheit und von allen möglichen Parteigetreuen gesagt. Zum Beispiel von den Alt-Parteien in Endlosschleife das Beschwören der „Brandmauer“, die angesichts von voraussichtlich mehr als 20 Prozent Wählerstimmen für die „Schwefelpartei“ gelegentlich wie eine Art Brett vor dem Hirn anmutet.

Auf der Spurensuche nach Überraschungen wird man indes beim ziemlich „Kleinen Parteitag“ der CSU vom 8. Februar in der Söder-Metropole Nürnberg doch etwas fündig. Ja, klein ging es schon zu, es kamen 200 Delegierte und 200 Gäste. Das Ganze dauerte drei Stunden, wovon die Reden von CSU-Chef Markus Söder 70 Minuten, von CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz 40 Minuten und von CSU-Gruppenchef Alexander Dobrindt 20 Minuten in Anspruch nahmen.

Dazwischen hatte man noch einen 10-Minuten-Talk mit fünf Gästen gequetscht. Der Rest gehörte Videoeinspielungen und verbindenden Worten des CSU-„Generals“ Martin Huber. Das waren Brutto-Angaben, also inklusive (Pflicht-)Beifall. Eine Heerschau schaut jedenfalls anders aus.

Wo wurde man hellhörig? Vier Beobachtungen

Thema „AfD“
Den „Bad Cop“ gaben Söder und Merz erwartungsgemäß, als es um die AfD ging. Es war natürlich die Rede von „Brandmauer“, „Schutzwall“, AfD als „gesichert rechtsextrem“, dass viele AfD-Mitglieder „sittlich und moralisch nicht geeignet zur Führung eines Landes“ seien (Söder). Söder wörtlich: „Ich gebe die Garantie ab: Nein, nein und nein, es gibt keine Zusammenarbeit.“ Söder machte die „Ampel“ für das Erstarken der AfD verantwortlich: „Die AfD hat sich in den letzten drei Jahren wegen der Ampel verdoppelt.“ Und: „Wenn die Rot-Grünen weitermachen, wird die AfD von selbst irgendwann übernehmen.“ Wahrscheinlich meint er 2029, wenn regulär die übernächste Bundestagswahl ansteht. Und die CDU/CSU wieder nichts dagegen zu bieten hat? Merz ähnlich: Stimmen für die AfD seien schon am Morgen nach der Bundestagswahl „nichts mehr wert. Aber auch gar nichts.“ Aha, also auch hier Erinnerungslücken wie bei Noch-Kanzler Scholz? Groß wurde die AfD durch Merkel. Und gewachsen ist die AfD ab 2021, weil die CDU/CSU drei Jahre lang kein echtes Gegengewicht gegen die „Ampel“ war. Ansonsten: AfD-Stimmen seien nach dem 23. Februar nichts mehr wert? Gemach, die AfD wird aller Voraussicht nach mit rund einem Viertel aller Parlamentssitze die zweitgrößte Fraktion stellen. „Nichts mehr wert?“ Das erinnert an Merkels antidemokratische Intervention gegen die völlig reguläre Wahl des FDP-Manns Thomas Kemmerich im Februar 2020 zum Ministerpräsidenten Thüringens. Eine Wahl, die Merkel aus dem fernen Südafrika für „unverzeihlich“ erklärt hatte und die „wiederholt“ werden müsse. Und wiederholt wurde.

Thema „Grüne“
Söders zweitliebster Gegner sind die Grünen, hier vor allem Robert Habeck: „Dann kommt dieser Habeck mit dem einzigen wirtschaftspolitischen Vorschlag, den er seit seinem Abgang in der Ampel-Performance hatte: An das Ersparte wollen wir auch noch ran.“ Der Vorschlag für Sozialabgaben auf Kapitalerträge sei „grüne Gier auf das Ersparte“. Gleichzeitig habe Habeck „null Ahnung von Details“. Die Grünen müssten in die Opposition – „nicht nur wegen der Migration, auch wegen der Wirtschaft“. Und weil sie „Autohasser“ seien. Eine Zusammenarbeit mit den Grünen schließt Söder erneut aus. Deren Spitzenpersonal dürfe künftig keine Ministerposten mehr bekleiden, die Partei müsse dringend in die Opposition geschickt werden: „Es hilft nichts. Sie haben es nicht gekonnt.“ Womöglich ist diese Passage eine, die Merz lieber überhört hätte. Bei einer Wahlveranstaltung im Saarland zeigte Merz sich nämlich soeben offen für gemeinsame Lösungen mit der SPD, aber „vielleicht auch mit den Grünen“. Und den Robert Habeck hatte Merz im November 2024 immerhin zum „angenehmen Gesprächspartner“ befördert.

Thema „Merkel“
Söder spricht vom „großen Fehler“ Merkels 2015: Nicht die Humanität der Grenzöffnung sei der Fehler gewesen, aber das „Außerachtlassen von rechtsstaatlichen Prinzipien“: „Die hat unser Volk entzweit, die AfD zu dem gemacht, was sie ist und auch die Union gespalten.” Beifall erhielt Söder für eine versteckte Replik auf Merkel, die Merz zweimal in den letzten Tagen öffentlich kritisiert hatte: „Ich weiß nicht, ob ständig Ratschläge von gestern im Wahlkampf hilfreich sind.“ Noch im Juni 2023 allerdings hatte Söder Merkel mit dem höchsten bayerischen Ordnen umhängt, dem Bayerischen Verdienstorden. Und dabei gesäuselt: Der Preis sei als Respekt vor einer großen Lebensleistung zu verstehen. Merkel habe durch „schwere Krisen geführt, Krisen, die nicht absehbar in der Dimension tief unser Land erschüttert haben“. Es gehe ihm „einfach darum, danke zu sagen“. Wie man auch hier sieht: Nicht nur Scholz hat Erinnerungslücken. Merz übrigens hielt sich da bedeckt. Auch gegenüber Laschet, der mit seiner Kritik an Merz aktuell dabei ist, im Schulterschluss mit Merkel so wie 2021 erneut die Wahl eines CDU-Kanzlers zu vergeigen.

Thema „EU“
Merz kritisierte die übermäßige Regulierung der Europäischen Union. „Es kann auch in Europa nicht so weitergehen wie in den letzten Jahren und Jahrzehnten“, sagte er und forderte eine „Zeitenwende“ in der EU-Politik. Er verwies darauf, dass in den vergangenen Jahren in den USA 3.500 neue Regulierungen erlassen worden seien, während es in Europa 13.500 neue Verordnungen und Richtlinien gegeben habe. Diese Überregulierung müsse gestoppt werden. Über Verschlusskappen bei Flaschen und Getränkeverpackungen sagte er: „Das braucht kein Mensch.“ Statt um solchen „Pipifax“ solle sich Europa lieber um Handels-, Außen- und Sicherheitspolitik kümmern. Wie bitte? EU-Kritik? Zur Erinnerung: Wessen – auf den Stimmzetteln nicht einmal gelistete – Spitzenkandidatin war denn Ursula von der Leyen (CDU)? Wer war von 2019 bis 2024 EU-Kommissionschefin? Wer hat sie 2024 erneut in dieses Amt gehievt? Und ist nicht Manfred Weber, CSU-Parteivize von Söder, Chef der größten Fraktion im EU-Parlament? „Haltet den Dieb!“ also? Aha, auch hier Scholz’sche Erinnerungslücken.

Wie man sieht: Man setzt auf die Vergesslichkeit der Wähler. Oder man ummantelt alles wie damals, Ende 2013, bei der Reklame für einen umgetauften Schokoriegel: „Raider heißt jetzt Twix, geändert hat sich nix!“


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