Tichys Einblick
Die Brandmauer ist Geschichte

Bei Illner: Robert Habeck kämpft verzweifelt für Schwarz-Grün

Eine schnelle Änderung in der Migrationspolitik wird es nicht geben. Dennoch haben Grüne und SPD erkannt: Wenn sie die CDU nicht zurückzwingen unter das Joch der linken Meinungshegemonie, geht ihre Machtbasis verloren. Bei Illner soll Linnemann wieder auf Linie gebracht werden. Der verweist auf Magdeburg. Von Fabian Kramer

Screenprint: ZDF / Maybrit Illner

Selten genug kommt man in die Verlegenheit, die Zustimmung des deutschen Bundestags zu einem rechtlich nicht bindenden Entschließungsantrag als historisch bezeichnen zu müssen. Doch die gestrige Mehrheit des CDU-Antrags zur Begrenzung der Migration verändert die deutsche Politik. Nur durch Inkaufnahme von Stimmen der AfD konnte die CDU ihren im Wahlkampf versprochenen Politikwechsel durchsetzen. Die Brandmauer zur AfD ist damit gefallen, egal ob die CDU die Stimmen der AfD gewollt hat oder nicht. Zusammenarbeit ist und bleibt Zusammenarbeit.

Anträge der Union zur Einwanderung
Wie eine Posse - aber am Ende fällt die Brandmauer doch
SPD und Grüne haben die Tragweite dieser Entscheidung genau richtig verstanden. Für sie geht es ums Eingemachte. Ihre machtpolitische Lebensversicherung namens Brandmauer ist weg. Deswegen ist die Empörung der Genossen und Ökosozialisten in Wahrheit nackte Panik. Die politische Mehrheit innerhalb der Bevölkerung haben SPD und Grüne längst verloren, aber jetzt droht ihre Machtperspektive zu zerbröckeln.

Der Illner-Talk an diesem Abend dreht sich selbstverständlich um die historische Entscheidung des Deutschen Bundestags. Alle Talkgäste sind emotional angefasst. Die durch die Abstimmung gewonnene politische Klarheit wirkt bei allen noch nach. Robert Habeck und die anwesenden Journalisten wirken fast konsterniert. Einzig Carsten Linnemann kann dem gestrigen Tag etwas Positives abgewinnen. Die Runde repräsentiert natürlich wieder einmal nicht die ganze politische Breite der Debatte, weil, wie jeden Donnerstag, kein AfD-Politiker eingeladen ist. Die Sendung ist eine sehenswerte Abwehrschlacht des von der Realität geschlagenen politisch-medialen Komplexes.

Habeck kämpft verzweifelt um Schwarz-Grün

Für SPD und Grüne muss der vergangene Mittwoch wie eine fortwährende kalte Dusche gewesen sein. Trotz größter emotionaler Geschütze konnte die vereinte politische Linke die Merz-Union nicht davon abhalten, gemeinsam mit der AfD zu stimmen. Rote und Grüne haben ihre Diskurshoheit verloren. Ihre Macht über die Union ist hingegen noch nicht ganz. “Wir stimmen nicht mit der AfD”, bekräftigt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Eine völlig irre Aussage, denn die CDU hat es ja getan. Die Brandmauer schadet offensichtlich dem logischen Denken. Linnemann muss in der Sendung eine permanente Verteidigungshaltung einnehmen. “Ich folge meinem Gewissen”, rechtfertigt Linnemann sein Abstimmungsverhalten.

Union wieder uneins – dank Merkel
Merz im Feuer: Der wahre Kampf um die Migration beginnt erst
Für den Grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck hat die CDU sich aufs moralische Abstellgleis gestellt. Allerdings ist Habeck Machtpolitiker durch und durch. Deshalb möchte er Friedrich Merz eine zweite Chance geben und meint: “Es muss jetzt wieder Vertrauen hergestellt werden.” Seine größte Sorge ist, dass sich Friedrich Merz von der AfD zum Kanzler wählen lässt und die Grünen dafür nicht mehr braucht. “Lässt sich Friedrich Merz von der AfD zum Kanzler wählen?”, fragt Habeck vorwurfsvoll in Richtung Linnemann. Dieser antwortet: “Nein, wird er nicht.“

Er gehe von einer stabilen Mehrheit in der Mitte für Friedrich Merz aus, so Linnemann. Allerdings ist fraglich, ob SPD und Grüne nach der gemeinsamen Abstimmung von AfD und Union überhaupt noch mit Merz koalieren können. Schließlich haben SPD und Grüne ihre Anhängerschaft in Alarmbereitschaft versetzt. Der Faschismus drohe, wieder ins Land zu kommen, weil die Union gemeinsame Sache mit der AfD macht, warnen SPD und Grüne. Wie wollen SPD und Grüne der Basis erklären, dass sie den angeblichen Steigbügelhalter des Faschismus zum Kanzler machen? Das linke Empörungsbürgertum ist längst mit Fackeln und Mistgabeln auf den Straßen und wirft Farbbeutel auf CDU-Kreisgeschäftsstellen.

Keine schnelle Änderung in der Migrationspolitik

Obwohl man aufgrund der medialen und politischen Hysterie um die Abstimmung im Bundestag und um die Abstimmung am Freitag meinen könnte, dass sich danach in der Migrationspolitik alles verändert, dürfte man sich getäuscht sehen. Dwe angenommene Entschließungsantrag bleibt ohne Konsequenzen, und selbst wenn der Gesetzentwurf der Union am Freitag durch das Parlament geht, wird sich nicht allzu viel ändern. “Das Gesetz wird im Bundesrat scheitern”, spekuliert die ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke. Sie dürfte damit richtig liegen. Einige unionsgeführte Bundesländer wie Schleswig-Holstein und Berlin wollen im Bundesrat gegen das Gesetz stimmen. Nicht weil es politisch falsch ist, sondern weil die AfD die Mehrheit beschafft. Eine funktionierende Demokratie, die im Interesse der Bevölkerung arbeitet, stellt man sich anders vor.

Chefredakteur-Talk
Bringt Friedrich Merz die politische Wende?
Für Sarah Tacke sind die Abstimmungen im Bundestag Showveranstaltungen wegen der kommenden Wahlen. Der CDU wirft sie vor: “Sie haben die AfD normalisiert.” Linnemann argumentiert mit der Tat von Aschaffenburg. “Diese Tat hat mich tief erschüttert”, erklärt der Ostwestfale. Er habe mit dem Vater eines Opfers gesprochen und dieser wolle Taten, rechtfertigt sich Linnemann. Dass die CDU überhaupt auf die AfD angewiesen ist, liegt vor allem an SPD und Grünen. Diese blockieren seit jeher jegliche gesetzliche Begrenzung der illegalen Migration.

“Die Grünen wollen den Familiennachzug ausweiten”, kritisiert Linnemann. Robert Habeck weicht aus. Die Grünen hätten Gesprächsbereitschaft zeigen wollen, aber die Union habe sie erpressen wollen, sagt Habeck. Eine Nebelkerze des grünen Kanzlerkandidaten. Denn die Grünen haben kein Interesse, eine tragfähige Lösung in der Migrationsfrage zu beschließen. Innerhalb der EU haben die Grünen dafür gesorgt, dass die Asylgesetzgebung der EU entschärft wird. Mit den Grünen ist aus Sicht der Union in Sachen Migration kein Staat zu machen.

Handelt die Union rechtswidrig?

Der Hauptvorwurf auf Seiten von SPD und Grünen gegen die Pläne der Union lautet, dass diese gegen geltendes europäisches Recht verstoßen würden. “Die Union will Recht brechen, um Recht zu verändern”, unterstellt Robert Habeck. Aber sind die Pläne wirklich rechtswidrig? Die ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke hält die Pläne der Union durchaus für europarechtlich konform. “Ihre Pläne sind nicht chancenlos”, meint Tacke zu Linnemann. CDU/CSU argumentieren mit einer nationalen Notlage, um an der deutschen Grenze rigoros zurückweisen zu können. Die Union sieht sich rechtlich auf der sicheren Seite. “Ein ehemaliger Richter am Verfassungsgericht hat gesagt, dass es rechtlich nicht nur unbedenklich ist, sondern sogar zwingend geboten ist”, entgegnet Linnemann auf die Kritik von Robert Habeck.

Die Notlage in Deutschland ist schließlich mit Händen zu greifen. Jeden Tag eine Bluttat, jeden Tag eine Vergewaltigung und jeden Tag eine schwere Körperverletzung gehen auf das Konto von Zuwanderern. Die deutsche Gesellschaft hat ihr Limit des Ertragbaren erreicht. Für die Grünen ist diese Realität eine unangenehme und wird deshalb ignoriert. “Der Asylantrag muss in Deutschland gestellt werden”, verteidigt Robert Habeck die jetzige Situation. Der Grüne lässt völlig außen vor, dass nur drei Prozent der Asylbewerber überhaupt einen Asylstatus bekommen. Die meisten Asylbewerber bekommen einen vorübergehenden Schutzstatus. Dieser Status wird auch Deutschlands Nachbarländern gewährt.

Aber für Habeck sind die hohen Migrationszahlen eher ein Verwaltungsproblem und weniger ein Zurückweisungsproblem. Wären die deutschen Behörden besser ausgestattet, gäbe es keine Probleme mehr, meint Habeck. Eine naive und weltfremde Vorstellung. Durch die Politik der offenen Grenzen der Ampel und der Merkel-Regierung sind die Behörden überlastet. Eine qualitative Verbesserung hilft nicht, weil die quantitative Überforderung viel zu groß ist.

Das Fazit der Sendung zieht unfreiwillig der Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. “Die Bürger trauen SPD und Grünen keine Lösung bei der Migration mehr zu”, meint di Lorenzo. Die CDU habe aufgrund der nahenden Wahl erkannt, dass mit SPD und Grünen keine Lösungen möglich sind. Sie ist vorgeprescht und hat die Brandmauer niedergerissen.

Nach der Bundestagswahl wird es für die Union kein zurück mehr geben können. Friedrich Merz hat seine gesamte politische Glaubwürdigkeit mit der Bewältigung der Migrationskrise verknüpft. Er ist gezwungen zu liefern. Die AfD steht bereit zu helfen, so viel ist sicher.


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