Es war erneut ein ganzer Abend randvoll angefüllt mit Trump-Derangement-Syndrom. Nie hatte man einen neu inaugurierten Präsidenten vom Panamakanal sprechen hören, merkte eine Reporterin auf BBC World an. Später soll Trump gar davon gesprochen haben, einen Berg umbenennen zu wollen. Veränderung, dieser bittere Trunk der Progressiven: Sie wollen sie angeblich, aber nur durch ihre eigenen Hände. Daneben waren auch die Politiker der US-Democrats entsetzt über die schiere Konkretion der Trumpschen Politik, alias der „Flut von exekutiven Anordnungen“, die schon am ersten Amtstag in dreistelliger Zahl erwartet wurden – Ausdruck eines Wahlsieges, wie er eindeutiger nicht hätte ausfallen können.
Nur die Ex-Bürgermeisterin von Chicago erläuterte wortreich, warum man die eigene Politik nicht an etwas so Flüchtigem wie einer Umfrage ausrichten könne. Lori Lightfoot – phänomenal gescheitert in den Unruhen nach dem Tod von George Floyd – sprach hier von den Umfragen, die zeigen, dass auch Wähler der Democrats mehrheitlich eine Abschiebeoffensive für illegale Zuwanderer befürworten. Chicago soll dennoch ein „sanctuary“ („Heiligtum, Zufluchtsort, Freistätte“) bleiben, in dem die illegalen Einwanderer nicht verfolgt werden. Wie „heilig“ oder „frei“ Chicago und viele andere US-amerikanische Großstädte darüber geworden sind, lässt sich kaum sagen.
Lightfoot, die hier nur als pars pro toto, als eine von vielen Stimmen aus der Demokratischen Partei steht, war der festen Meinung, dass nicht demokratische Abstimmungen zu gelten hätten, sondern ein nebulöses „Recht“, eigentlich die Angewohnheit juristischen Schlendrians, den man sich bewahren will. Nichts anderes also als in so vielen Ländern Europas, in denen auch immer wieder (internationales) Recht und Demokratie gegeneinander ausgespielt werden.
Biden begnadigt seine Familie – und Anthony Fauci
Und natürlich war da diese drohende „Oligarchie“ – man weiß gar nicht genau, worum es dabei gehen soll. Um das Kabinett der Milliardäre analog dem Kabinett der Barone, das angeblich der Autokratie den Weg ebnete? Trump, so glaubte ja auch der grün-deutsche Botschafter in Washington zu wissen, verfolgt eine Agenda der „maximalen Disruption, des Aufbrechens etablierter politischer Ordnung“.
Dass Ex-Präsident Biden in einem seiner letzten Gnadenakte ausgerechnet Anthony Fauci „im Vorhinein“ begnadigte – denn der wurde ja noch gar nicht verurteilt –, ging da fast unter. War das nicht doch eine Art Schuldeingeständnis? Bekannt ist jedenfalls, wie sehr Fauci daran gelegen war, die Laborhypothese zu untergraben. Trump sprach zudem von der großen Zahl der Begnadigungen durch Biden, auch für Mörder, was Trump nicht angemessen fand. Die vorauseilenden Begnadigungen der gesamten Familie Biden und zahlloser „Trump-Kritiker“ kam da noch hinzu. Trump bemerkte, dass dies ein sehr schlechtes, dubioses Licht auf Biden werfe. So wird verdeckt, dass da wirklich der eine oder andere Parteigänger Dreck am Stecken haben könnte. Trumps Kritik an seinem Vorgängers und dessen Regierung war vernichtend. Korruption, Betrug und Ideologie – das hielt Trump, von jedem Festprotokoll unbeeindruckt, immer wieder fest.
Parliert wie kaum ein anderer
Dagegen malte der deutsche US-Botschafter Andreas Michalis („Motz-Botschafter“ laut Bild) ein düsteres Bild ausgerechnet von der Meinungsfreiheit in Amerika: „Die Meinungsfreiheit gilt v.a. für das MAGA-Wort, gegen Kritiker und nicht kooperierende Medienunternehmen gehen T. und Musk bereits vor.“ Das ist wahrlich ein Wahngebilde, wo es darum geht, dass Mark Zuckerberg nun Faktenfaker-Zensoren wie Correctiv durch Community-Notes ersetzt, wie man sie von X kennt. Sieht so „Vorgehen“ gegen jemanden aus?
Selbst alte Washingtoner Hasen mussten danach zugeben, dass lange niemand mehr so entspannt mit der Presse über fast alle wichtigen Fragen der internationalen Diplomatie parliert hatte. Und solch ein Auftreten steht denn auch kaum im Gegensatz zur Idee der Demokratie, zumal Trump ja genau mit diesen Versprechen gewählt wurde.
Rückkehr der Realpolitik: Zölle gegen offene Grenzen
Für Europa könnte bei entsprechender Freiheit im Kopf das Remain-in-Mexico-Programm interessant sein: Asylsuchende müssen in das Nachbarland der USA zurückkehren, bis über ihren Antrag entschieden ist. Etwaige positive Folgen wird man abwarten müssen, ebenso jene von Trumps Vorgehen gegen die Fentanyl-Krise, die auch viel mit unkontrollierten Grenzen zu tun hat.
Insgesamt ist damit ein Element des Unvorhersehbaren – Trumps Charakteristikum – in die Weltpolitik zurückgekehrt. Das Staatensystem wird ordentlich durcheinandergerührt. Wo China sich die Insel Taiwan – die Republik China – einverleiben will, wo Russland die Krim und den Donbass als sein rechtmäßiges Eigen ansieht, da wird auch Amerika nicht mehr zurückstehen und Kanada, Grönland und den Panamakanal für sich beanspruchen. Das hat durchaus seinen disruptiven Reiz. Aber vor allem handelt es sich, bei allem verbalen Getöse, um die Rückkehr der Realpolitik – im Gegensatz zu dem moralisierenden Gewäsch von Baerbocks Botschafter.