Tichys Einblick
Vorsatz für das neue Jahr 2025:

Humorfähigkeit trainieren

Der Humor ist ein Meister der Menschlichkeit: Er verwandelt sowohl Tiere als auch aufgeplusterte Polit-Götter zu Menschen. Der Humor als Meister der Menschlichkeit gehört in den Erste-Hilfe-Koffer für ein wahrscheinlich politisch turbulentes neues Jahr.

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Ein zum Tode Verurteilter wird am Neujahrstag zum Schafott geführt. Seine letzten Worte: „Dieses neue Jahr fängt ja schon mal gut an!“

Es gibt Situationen, da gibt es eigentlich nichts mehr zu lachen. Deutschland hat am 23. Februar 2025 die Wahl zwischen Insolvenzverschleppung und schmerzhaftem Insolvenzverfahren. Doch selbst wenn Deutschland das heilsame Insolvenzverfahren wählen sollte, so hängt unser Land im Sumpf der EU-Transferunion mit dem insolventen Italien und Frankreich weiter im Abgrund. Kurz: Die Lage ist hoffnungslos; aber für den Humorvollen zum Glück nicht ernst.

Das zeichnet den Menschen gegenüber dem Tier aus: Die Menschen können sich mithilfe des Humors aus ihrem Elend herausbeamen. Menschlichkeit beginnt mit dem Humor. Der Humor macht aus dem Affen einen Menschen. Und der humorvolle Mensch kann sich sogar selbst zum Affen machen, sich selbst auf die Schippe nehmen. Lassen Sie sich das von einem Pfaffen gesagt sein.

Wenn ein Rentner den „Minister für Wirtschaft & Klimagedöns“ in Anlehnung an sein Shampoo als „Schwachkopf“ karrikiert, dann beamt sich der Rentner aus seiner Wut über zerstörerische und übergriffige Politik in das Lachen hinein. Lachen schafft eine heilsame Distanz. Wer über eine Autorität lacht, relativiert deren Anspruch. Wer den Minister lächerlich macht, stößt ihn vom allzuhohen Sockel. Der Humor ist also ein zweifacher Meister der Menschlichkeit: Er verwandelt Tiere zu Menschen und er entzaubert vermeintliche Götter zu Menschen.

Das haben die politischen Götter natürlich nicht so gerne, wenn sie in irrende Menschen verwandelt werden. Je narzisstischer sich ein Politiker als Majestät mit quasi-göttlicher Berufung ansieht, desto übler wird er jeden Witz als Beleidigung oder sogar als Straftatbestand und Verbrechen hochjazzen. Aufgeplusterte Polit-Götter verstehen keinen Spaß. Das haben sie mit dem Regenwurm gemeinsam. Sie verstehen nichts von der hohen Kunst, aus Spott oder auch aus Beleidigungen eine produktive Haltung zu generieren.

In all seinen wichtigen Funktionen weiß der Humor: Ich kann niemals allen gefallen. Selbst Jesus konnte nicht allen seinen Freunden gefallen. Von seinen 12 Jüngern hat er einen als Judas verloren. Auch der eigene Humor wird nie allen gefallen. Immer wird mindestens eine Spaßbremse mit tiefer Empörung das trinitarische Glaubensbekenntnis der Humorlosigkeit aufsagen: „Darüber macht man keine Witze. Das geht gar nicht. Das geht zu weit.“ Wenn die fromme Helene oder der gutmenschliche Robert mit erhobenem Zeigefinger den Humor tierisch ernst nehmen, hört der Spaß auf. Im schlimmsten Fall hat dann nur noch der Rechtsanwalt Spaß. Es ist schlimm, in einer Gemeinschaft leben zu müssen, in der der Humor unterdrückt wird, obwohl man gerade in einer solchen Gemeinschaft den Humor braucht, um menschlich überleben zu können.

Im neuen Jahr möchte ich meine Humorfähigkeit trainieren. Ein gutes Fundament dafür habe ich: Ich bin ein Zweckpessimist, der gerne vom Schlimmsten ausgeht, um dann bereits glücklich zu sein, wenn es ein bisschen besser kommt. Auch mein freiheitsschenkender Glaube hilft mir: „Arm sein oder reich sein, ernst sein oder humorvoll sein – nichts ist mir unmöglich. Ich vermag alles durch den, der mich stark macht, Christus“ (nach Philipper 4,13).

Auf diesem Fundament lässt sich aufbauen und Humor trainieren.

Der Begriff „Humor“ hängt mit „Humus“ zusammen. Humor ist ein guter Nährboden zum Leben. Diesen Nährboden will ich pflügen oder eggen, damit die Saat mehr Früchte bringt.

In diesem Sinne: Ihnen allen ein gutes neues Ja (zum Humor)!

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