Die Genugtuung über das Ampel-Aus (Wort des Jahres!) und die Hoffnung auf eine Wende und ein Ende der Talfahrt der deutschen Wirtschaft währen nicht lange.
I.
Es ist durchaus nachvollziehbar, dass Friedrich Merz die Latte seiner Ankündigungen nicht so hoch hängt, dass er sie nur reißen kann, wenn er koalieren muss, mit wem auch immer. Er sollte aber auch keinen Wahlkampf für seine Konkurrenten – ob rechts oder links – betreiben. Das ist zweifellos der Fall, wenn er behauptet, er könne sich Robert Habeck auch fürderhin als Wirtschaftsminister vorstellen. Linnemann und Söder haben sofort widersprochen – aber passiert ist es. Was hat Merz bloß geritten? So eine Formulierung („ob mit oder ohne Habeck“) rutscht einem nicht einfach heraus. Ist es das Lockere-Zunge-Syndrom? Fehlgeleitete Gefallsucht? Haltungsschwäche eines Mannes, der nur noch eines vorhat: nein, nicht das Land in Ordnung zu bringen, sondern Kanzler zu werden?
II.
Politiker, die noch alle Tassen im Schrank haben, können sich gewiss vieles vorstellen, nur nicht, dem Hauptverursacher des Absturzes einen Persilschein auszustellen. Wohlstandsvernichtungsminister Habeck war und ist Sektenführer der grünen Ideologie, der zwar in der Lage ist, mit aberwitzigen Thesen leichtgläubige Wähler:/_innen zu faszinieren, der aber den letzten Rest von Kompetenzvermutung wiederholt zerstört hat. Wer diesem Klabautermann der sozialen Marktwirtschaft Vertrauen schenkt – dem kann selbst niemand mehr Vertrauen schenken.
III.
Habeck ist keine Naturkatastrophe. Vielmehr ist der seit Jahrzehnten zu beobachtende Wandel in den Köpfen deutscher Wähler menschengemacht. Jetzt wird wieder auf Teufel komm raus moralisiert. Die Öffentlichkeit und ihre „Qualitätsmedien“ halten allen Ernstes die Art und Weise des (verspäteten) Ausstiegs der FDP aus der Koalition für das aufregendste Thema. Das ist so unpolitisch wie – pardon – schwachköpfig. Niemals zuvor hatte dieses Land einen Schub Liberalismus nötiger als gerade heute. Niemals zuvor war die FDP – die nicht liberal genug ist, aber immerhin noch liberal – so abgemeldet wie gerade jetzt. Im Moment kann der FDP-Chef sagen, was er will, es wird skandalisiert. Gerade hat er mit der Aussage schockiert, Deutschland müsse etwas mehr Milei wagen. Er hat nicht gesagt, Deutschland sei mit Argentinien zu vergleichen. Aber es ist doch nicht zu übersehen, dass die libertären Wirtschaftsreformen binnen eines Jahres Argentinien auf einen Wachstumspfad gebracht und die Inflation nachhaltig bekämpft haben. Lindner hat also vollkommen Recht. Besonders „entsetzt“ darüber gibt sich nun Merz. Milei sei ein Präsident, der sein Land ruiniere und die Menschen mit den Füßen trete. Das ist blühender Unsinn, kommt aber offenbar im Wahlkampf an. „Libertär“ ist im Land der preußischen Staatshörigkeit ein Synonym für „teuflisch“.
IV.
Merz kann versprechen, was er will. Daran halten wird er sich ohnehin nicht. Er wird die Schuldenbremse lösen. Man solle, so der künftige Kanzler, in der Politik „niemals nie“ sagen und natürlich könne man das Grundgesetz ändern. Er wird auch Habecks Heizungsgesetz mit geringen Korrekturen und unter anderem Namen wüten lassen. Und das Totschlagargument für alle Missetaten der künftigen Regierung wird bereits in allen Talkshows ventiliert. Die Deutschen wählen vier Wochen nach der Amtseinführung Donald Trumps. Sie wissen dann, wie die USA Deutschlands Export bedrohen wird – und die künftige deutsche Regierung wird es als Begründung für neue Untaten nutzen.
V.
Es gibt ein zweites Totschlagargument gegen eine echte politische Wende. In Deutschland verstecken sich nicht nur die Unionsparteien hinter Brüssel, und tun so, als sei die EU höhere Gewalt. Sie waschen ihre Hände in Unschuld, Brüssel zwingt sie zu allem, zum Wahnsinn der Bürokratie, zu immer mehr Staat. Der „Green Deal“ der EU ist der dickste Sargnagel am Wohlstand Deutschlands. Dahinter steckt auch noch Rücksicht auf die CDU-Parteifreundin Ursula von der Leyen, die sich an der Spitze der undemokratischen EU-Kommission gebärdet wie die Regentin Europas. Anders als alle ihre Vorgänger und alle Kommissare stand sie noch nie unter dem Verdacht, die Interessen ihres eigenen Landes im Auge zu haben. Wie niemand sonst verkörpert sie das verhängnisvolle Weiterwirken der grünen Merkel-CDU. Notwendig wäre eine deutsche Regierung, die nicht einfach alles schluckt, was aus Brüssel kommt (und es auch noch besonders folgsam durchzieht). Wer Deutschland wieder in Fahrt bringen will, darf dem Konflikt mit Brüssel nicht aus dem Weg gehen. Bündnispartner gäbe es. Jetzt, da Frankreich im politischen Chaos zu versinken droht, wäre es umso wichtiger, dass die Bundesregierung nicht den braven Mustereuropäer gibt, sondern tut, was für die immer noch stärkste Volkswirtschaft der EU bitter nötig wäre. Mehr Markt, weniger Staat. Doch die EU-Reform steht auf keinem Wahlprogramm auf der ersten Seite. Deutschland wird, wenn es so weitergeht, ebenso unregierbar sein wie Frankreich, wo die bürgerliche Mitte von beiden radikalen Seiten in die Zange genommen wird.